Liner notes
"Karlheinz MIKLIN Solo"



Schon als ganz junger Musiker habe ich - eher untypisch - auch langsame, ruhige Musik immer wieder gerne gehört und gespielt. Mit zunehmendem Alter hat diese Vorliebe zugenommen, und wohl nicht zufällig sind viele Themen, mit denen man mich identifiziert, ruhig und besinnlich.


Die Herausforderung, allein und ohne jede stützende Begleitung   zu spielen, wurde von außen an mich heran getragen: auf Initiative des Jazzclubs "Miles Smiles" spielte ich in Wien 1983 mein erstes Solokonzert, dem später auch solche in größerem Rahmen wie den Wiener Festwochen folgten. Bald kamen auch Auftritte in Verbindung mit gesprochenem Wort sowohl geistlicher wie auch "weltlicher" Art.


Die Akustik einer Kirche kommt dieser Musik sehr entgegen, die Spiritualität solcher Räume spielt eine zusätzliche, wesentliche   Rolle bei meinem Musizieren, das in diesem Kontext ja oft spontane Improvisation, manchmal auch Interpretation einer bereits bestehenden Melodie, Weiterführen einer Idee bedeutet. Oder einfach nur den spezifischen Klang eines Instrumentes in eben diesem Raum als Ausgangspunkt hat.

So hat mich Pater Max Svoboda mehrmals in die Münzgrabenkirche eingeladen, von ihm stammt auch die Idee, mir die Kirche für eine Solo CD zur Verfügung zu stellen; wieder ein Anstoß von außen, für den ich sehr dankbar bin. Die Aufnahmen sind in zwei Tagen entstanden - ohne ein besonderes Konzept und mehr auf die Inspiration des Augenblicks in dieser besonderen Akustik vertrauend. Manches ist völlig neu und spontan entstanden, manches ist eine neue Interpretation von bereits Bestehendem.

(Es sind keine Studioaufnahmen, die Kirche ist kein akustisch geschlossener Raum, und das hört man manchmal. Aber es soll wohl so sein, dass die Außenwelt auch in solchen Räumen ab und zu hör- und spürbar wird...)


Aus den dabei entstandenen Aufnahmen habe ich zwölf ausgewählt und ihnen bewusst keine Namen gegeben. Musik geht für mich weit über verbale Kommunikation hinaus, Bilder, die beim Hören - hoffentlich - entstehen, sollen so nicht durch meine Benennungen eingeengt werden. Ich hoffe, dass diese Seite meines musikalischen Innenlebens auch ohne Titel verstanden oder, noch besser, verspürt werden kann.


                                                                                                Karlheinz Miklin


Karlheinz Miklin hat - relativ spät - sein erstes Solo-Album (Extraplatte) aufgenommen. Endlich. Auf Einladung von Pater Svoboda verschanzte er sich mit sechs Holzblasinstrumenten für zwei Tage in der Grazer Münzgrabenkirche. Zwei gute Tage müssen das gewesen sein, in denen große Klänge und Melodien in der Luft lagen.


Miklin, der den zwölf Nummern - zur Förderung innerer Imagination beim Hörer - keine Titel gegeben hat, lässt zunächst das Sopransaxophon sprechen. Zaghaft reiht sich ein Intervall an das nächste; eine grazile Melodie entspinnt sich, und wir können bei ihrer Entstehung dabei sein. Der Jazzprofessor hat sich nicht lange vorbereitet und vertraut auf die Gunst der Stunde, versinkt im Klang der Instrumente, schafft Pausen, in denen der riesige, von der Tontechnik (Joseph Jabbour) noch überhöhte Hallraum antwortet. In einer selten gewordenen Radikalität lässt die Tonmischung dynamische Gegensätze zu. Kaum hörbare Heiserkeit und die Entschlossenheit reiner Töne wechseln einander ab. Purer, unkomprimierter Klang.


Doch werden stellenweise Spuren zu fülliger Mehrstimmigkeit übereinander gelegt, Echos digital nachgereicht. Ob das nicht eine Verwässerung des "solistischen Reinheitsgebots" darstellt? Wie auch immer, die Ergebnisse sind erschütternd gut. Etwa Nummer 4, wo ein ruhevoller Dreigesang vom Altsaxophon übernommen wird. Zum Heulen schön ist dieses um ein Weltenbummlerbewußtsein erweiterte, nonverbale Kärntnerlied. Oder die in den

heiseren Didgeridoo-Ton der Bassklarinette hineingesungene Melodie der Nummer 5.


Erst später findet Miklin zum beiläufigeren Tonfall des melodiösen Jazz zurück, variiert in Richtung Dur-Tonarten und ins schwebende Harmoniegefüge der Neuzeit. Man könnte darin eine Zeitreise ebenso erkennen aus unberührter Wildnis in die Großstadt. Übrigens: Nummer 1 folgt logisch aus Nummer 12. Die Platte lässt sich also wunderbar in Schleifen hören. Immer und immer wieder.



                                                                                                                Mathias Wagner

                                                                                                                "Kronenzeitung" 8. Mai 2009

"Solo in der Münzgrabenkirche" in Graz entfaltet sich die zugleich sinnliche wie überlegt kultivierte Phantasie Karlheinz Miklins noch intensiver. Bewusst ohne Titel zeugen die zwölf Improvisationen auf Sopranino-, Sopran-, Alt- und Tenorsaxophon, Flöte, Altflöte und Bassklarinette davon, wie tiefgreifend ein Musiker, der Inspiration des Augenblicks in einer besonderen Akustik vertrauend, mit der im sakralen Raum repräsentierten Spiritualität in Kontakt treten, wie er deren Kraft mit abgeklärter Reife in sich aufnehmen

und mit kreativem Feinsinn vergegenwärtigen kann: Aufnahmen, an denen man sich nicht satthören mag!



                                                                                                                Tobias Böcker

                                                                                                                "Jazz Podium" 10/09

Saxofonist Lee Konitz demonstriert live seinen gelassenen Spätstil, Instrumentkollege Karlheinz Miklin geht in die Kirche und setzt sich der Einsamkeit des Improvisators aus.


...Weil es schon um lineares Spiel geht, ist dessen Extremform, die Einstimmigkeit, zu erwähnen, auf die sich etwa Saxofonist Karlheinz Miklin in der Münzgrabenkirche Graz eingelassen hat (Extraplatte).

Der Mann spielt nämlich solo, wechselt von Alt- zu Tenorsaxofon, von Bassklarinette zu Altflöte. Doch alles wirkt reduziert. Die Instrumentennamen sind schon Titel der Stücke, denn für Miklin wird die Hörfantasie "durch Benennung eingeengt". Es sind meditative Impressionen entstanden, die sich auf die hallige Akustik der Kirche einlassen und den Einzelton atmen lassen. Stimmig, geschlossen.


Und auch sehr gelassen, um nicht zu sagen cool.



                                                                                                                Ljubisa Tosic

                                                                                                                "Der Standard", 26.3.2010